Entscheidungen der Vergabeprüfstelle aus dem Jahr 2021
§ 2 Abs. 3 VOB/A, § 16b Abs. 1 VOB/A, § 20 Abs. 1 VOB/A
Der Auftraggeber schrieb mehrere Baumaßnahmen zur Erneuerung fernwirktechnischer Anlagen der Trinkwasserversorgung aus. Es handelte sich um das bereits dritte Vergabeverfahren zur Erneuerung. Das Angebot der Beschwerdeführerin belegte preislich den ersten Rang. In den beiden vorangegangenen Vergabeverfahren hatte die Beschwerdeführerin den Zuschlag erhalten. Die Ausführung der Leistungen aus diesen beiden Aufträgen war zum Zeitpunkt der Einleitung des hier streitgegenständlichen Vergabeverfahrens noch nicht abgeschlossen. Ein Teil der bisher beauftragten Leistungen sei ausweislich des Vergabevermerks mangelhaft und nicht fristgerecht ausgeführt worden, sodass ein Aufklärungsgespräch stattfand, um der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Da aus Sicht des Auftraggebers die Zweifel an der Eignung hierdurch nicht ausgeräumt wurden, schloss der Auftraggeber das Angebot der Beschwerdeführerin aus. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen. Zudem war die mangelnde Dokumentation der Eignungsprüfung zu beurteilen.
Die Vergabeprüfstelle hat die Beanstandung aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
Da die Eignung für den aktuell ausgeschriebenen Auftrag zu beurteilen ist, kommt es bei der Einbeziehung bisheriger Erfahrungen mit einem Bieter entscheidend darauf an, ob das Verhalten des betreffenden Bieters in der Vergangenheit hinreichend gesicherte Erkenntnisse darauf zulässt, dieser werde sich beim vorliegenden Auftrag wieder nicht anforderungsgerecht verhalten. Vorangegangene schlechte Erfahrungen mit einem sich erneut beteiligenden Bieter berechtigen keinesfalls zu einer stereotypen, nicht substantiell begründeten Ablehnung. Vielmehr ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, weil das Unternehmen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Prüfung seiner Eignung hat.
Sollte sich der mangelhaft dokumentierte Sachverhalt ausnahmsweise im Nachhinein ggf. durch das Nachschieben von Gründen plausibel und einwandfrei rekapitulieren lassen, wäre es „bloße Förmelei“, das Vergabeverfahren in einen früheren Stand zurückzuversetzen bzw. aufzuheben und die Vergabestelle zu verpflichten, die jeweilige Entscheidung oder Wertung im Vergabevermerk zu dokumentieren.
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§ 4 Abs. 2 NachprV, § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NachprV; § 2 Abs. 3 VOB/A, § 6b Abs. 4 S. 1 VOB/A, § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. w) VOB/A, § 16a Abs. 1 VOB/A, § 16a Abs. 5 VOB/A, § 16b VOB/A
Im streitgegenständlichen Verfahren sahen die Ausschreibungsunterlagen vor, dass der Bieter die Beschäftigung mindestens eines Straßenbauermeisters nachweisen muss. Nach Angebotsabgabe forderte der Auftraggeber von der Beschwerdeführerin den Nachweis, dass ein im eigenen Betrieb vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer den Meistertitel habe. Diesen erbrachte die Beschwerdeführerin durch die Einreichung des Arbeitsvertrages eines Mitarbeiters und die Kopie des Diplom-Zeugnisses im Studiengang Bauingenieurswesen. Dies sah die Beschwerdeführerin als ausreichend an, da der Abschluss als Dipl.-Ing. die Qualifikation als Straßenbauermeister miteinschloss. Der Auftraggeber schloss das Angebot der Beschwerdeführerin dennoch aus, da aus Sicht des Auftraggebers begründete Zweifel an der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit bestanden. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin.
Die Vergabeprüfstelle hat das Vergabeverfahren aus folgenden Gründen als rechtswidrig beanstandet:
Eine Beanstandung muss so lange möglich sein, wie der Zuschlag noch nicht wirksam erteilt ist.
Die Wahrung der Schriftform bei Übersendung per einfacher E-Mail ist gegeben, wenn der Schriftsatz im Original unterzeichnet, eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird.
Ist eine Erklärung oder ein Nachweis nicht wirksam und unmissverständlich gefordert und werden diese später mit dem Angebot nicht, nicht vollständig oder fehlerhaft vorgelegt, darf das Angebot nicht ausgeschlossen werden, wenn diese Unterlage fehlt.
Bereits die Bekanntmachung muss vollständig erkennen lassen, welche Nachweise gefordert werden, damit der Bieter prüfen kann, ob er die Eignungsanforderungen erfüllt, und sich darauf einrichten kann, welche konkreten Nachweise er vorlegen muss.
Nicht ordnungsgemäß geforderte Eignungsanforderungen und –nachweise dürfen bei der Eignungsprüfung keine Berücksichtigung finden. Sie sind vielmehr auszublenden.
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§ 2 Abs. 3 VOB/A, § 8 VOB/A, § 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 VOB/A, § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 16a VOB/A, § 16b Abs. 1 VOB/A,
Die Auftraggeberin schrieb eine Rückbaumaßnahme mit Schadstoffsanierung aus. Die Beschwerdeführerin belegte nach der Submission preislich den ersten Rang. Sie wurde zudem aufgefordert Unterlagen nachzureichen. Mit Nachreichung der Unterlagen teilte Sie mit, dass ein falscher (eignungsleihender) Nachunternehmer eingetragen wurde, weshalb das Formblatt 233 nochmal korrigiert übersandt wurde. Das Angebot der Beschwerdeführerin wurde daraufhin wegen der Änderung des Nachunternehmens ausgeschlossen. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin.
Die Vergabeprüfstelle hat das Vergabeverfahren als rechtswidrig beanstandet:
Werden Unterlagen nachgefordert, so kann die fehlerhafte Eintragung eines eignungsleihenden Drittunternehmers korrigiert werden. Die Korrektur stellt keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 VOB/A dar. Sie ist im Rahmen des § 16a Abs. 1 VOB/A zulässig. Dies stellt eine ausnahmsweise Durchbrechung des sogenannten Nachverhandlungsverbots dar. Die Durchbrechung folgt der Intention der liberalisierenden Novellierung der Vergaberegelungen, nach dem Angebotsausschüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden sind.
Da es darauf ankommt, ob die aus dem Bieter und dem eignungsleihenden Drittunternehmen bestehende Kombination geeignet ist, muss der Bieter, der sich auf fremde Kapazitäten beruft, dies nicht nur offenlegen, sondern die geliehene Eignung zu demselben Zeitpunkt und auf dieselbe Weise nachweisen wie vom Auftraggeber für den Wettbewerbsteilnehmer selbst gefordert.
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§ 10 Abs. 3 Nr. 3 NachprV
Die Auftraggeberin schrieb eine Baumaßnahme über die Neugestaltung von Außenanlagen und Landschaftsbauarbeiten aus. Als Bewertungskriterien wurde der Preis, Termintreue, Qualität, Kostenmanagement und Kommunikation festgelegt. Alle Kriterien mit Ausnahme des Preises wurden mit ganzen Notenwerten von 1 bis 5 (1 = sehr gut, 5 = mangelhaft) bewertet, wobei Firmen, die nicht oder vor dem 01.01.2018 für den Auftraggeber tätig waren, generell mit der Note 3 (befriedigend) bewertet werden würden. Weitere Erklärungen zur Bewertung waren nicht beigefügt. Die Beschwerdeführerin gab das preisgünstigste Angebot ab, war jedoch aufgrund der Zuschlagskriterien nicht das wirtschaftlichste Angebot und belegte lediglich den 3. Rang. Mit ihrer Beanstandung führt die Beschwerdeführerin aus, dass die Bewertungsfaktoren nicht nachprüfbar seien.
Die Vergabeprüfstelle hat die Beanstandung zurückgewiesen:
Ist ein Verstoß gegen Vergabevorschriften in den Vergabeunterlagen für den Bieter erkennbar, so obliegt es ihm nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 NachprV den Verstoß vor Ablauf der Bewerbungs- bzw. Angebotsfrist gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Erkennbar i. S. d. § 10 Abs. 3 Nr. 3 NachprV ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn sich die zugrundeliegenden Tatsachen aus den Vergabeunterlagen ergeben und von einem Bieter der Verstoß gegen Bestimmungen des Vergabeverfahrens erkannt werden kann. Ein Verstoß muss nicht lediglich in tatsächlicher Hinsicht, sondern auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar sein. Für die Erkennbarkeit ist auf die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Bieters abzustellen.
Unterlässt der Bieter die Rüge oder rügt den Verstoß nicht rechtzeitig, so ist das Nachprüfungsbegehren des Bieters durch die Vergabeprüfstelle aus formalen Gründen zurückzuweisen.
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