Wirtschaftsministerin Eveline Lemke ist sehr zufrieden, dass die umfassende Beratung die Betroffenen wirksam unterstützt:
„Mit dem Projekt haben wir es geschafft, vielen Menschen aus ihrer bis dahin ausweglos erscheinenden Situation zu helfen. Wichtig sind für uns auch die Erkenntnisse, weshalb Menschen Energieschulden anhäufen, denn nur dann können wir dazu beitragen, dass es in Zukunft nicht mehr dazu kommt.“ Bisher lagen über die Entstehung von Energiearmut so gut wie keine wissenschaftlich fundierten Daten vor. Für die Wirtschaftsministerin ist die Erkenntnis entscheidend, dass es nicht nur um steigende Energiepreise geht. „Es hat sich gezeigt, dass es zu kurz gedacht ist, Energieschulden nur durch steigende Energiepreise zu erklären. Dahinter steht meist eine Fülle von Ursachen, die wir Schritt für Schritt weiter analysieren und, wo es möglich ist, beheben wollen.“
„Mit diesem innovativen Beratungsangebot haben wir einkommensschwache Haushalte erreicht, die bei Energierechnungen in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind“, informiert Ulrike von der Lühe, Vorstand der Verbraucherzentrale. „Durch unsere Vermittlerrolle zwischen Kunden, Energieversorgern, Vermietern und Behörden konnten wir gemeinsam mit den Ratsuchenden in vielen Fällen langfristige Lösungen erarbeiten, um Energieschulden abzubauen oder sie künftig zu verhindern.“
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Zwei Drittel der Ratsuchenden wenden sich wegen Stromschulden an die Verbraucherzentrale. Die Mehrheit hat im Vorfeld der Beratung versucht, die Probleme selbst zu lösen. Ein Großteil ist gescheitert. Hohe Nachforderungen waren in vielen Fällen der Auslöser für Zahlungsschwierigkeiten. Jeweils rund 40 Prozent der Ratsuchenden stand eine Energiesperre bevor oder die Versorgung war bereits gekappt. In mehr als 80 Prozent der Fälle haben Versorger nach Intervention der Verbraucherzentrale bestehende Energiesperren aufgehoben. Oft hat die Verbraucherzentrale bessere Zahlungsmodalitäten ausgehandelt oder andere Wege gesucht, die Situation zu erleichtern.
Probleme haben viele Ursachen
„Energieschulden haben sehr unterschiedliche Hintergründe“, zieht Projektleiterin Antje Kahlheber Bilanz. „Viele Menschen verlieren in Krisensituationen den Überblick über ihre Finanzen oder sind überfordert.“ Besonders betroffen sind berufstätige Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Analphabeten sowie psychisch Erkrankte. Über einen längeren Zeitraum wird ein neues Verhalten im Umgang mit Rechnungen, Energieverbrauch und Prioritäten eingeübt oder eine Lösung für die Überlastung gesucht, teilweise mit Hilfe einer Schuldnerberatung oder psychosozialen Betreuung.
Jeder zweite beratene Haushalt „energiearm“
Aber nicht nur Krisensituationen, auch Dauerprobleme sind häufig: „Jeder zweite beratene Haushalt muss mindestens 10 Prozent seines Einkommens für Energiekosten aufwenden“ so Antje Kahlheber. „Ein Drittel der Ratsuchenden sogar mehr als 15 Prozent.“ Doch nur knapp die Hälfte der Haushalte hat einen erhöhten Energieverbrauch. Teure Stromtarife, elektrische Heizung, Warmwasserbereitung oder nachteilige Heizwärmeverträge treiben die Energiekosten oft in die Höhe.
Beratung lotet Spielräume aus
„Es gibt unterschiedliche Ansatzpunkte, diese Situationen kurz- bzw. langfristig zu entschärfen“, erläutert Kahlheber. „Wir loten in der Beratung Spielräume aus und nutzen diese.“ Dies kann durch einen Antrag für einen Zuschuss bei den Sozialleistungen geschehen, eine rechtliche Überprüfung der Verträge oder durch technische Vor-Ort-Beratungen bei erhöhten Verbräuchen.
Beratung erfolgreich
Ein halbes Jahr nach der Beratung haben die meisten Haushalte keine Zahlungsschwierigkeiten mehr. Dies ergab die nachträgliche Befragung von 48 Ratsuchenden. 80 Prozent der Befragten geben an, dass die Energiekostenberatung maßgeblich dazu beigetragen hat, ihr Problem zu lösen. Sie empfinden die verbesserten Zahlungsbedingungen, die Klärung des Konflikts mit dem Versorger und den Einsatz der Verbraucherzentrale als äußerst hilfreich.
Strukturelle Defizite beheben
An Grenzen stößt die Beratung, wenn strukturelle Probleme Ursache für die Zahlungsschwierigkeiten sind. Hohe Strompreise spielen dabei nicht die einzige Rolle. Defizite, wie eine schnell veranlasste oder unzureichend angekündigte Energiesperre oder die Unterdeckung der Energiekosten durch Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, können nicht allein durch die Beratung gelöst werden.
An die Versorger appelliert die Verbraucherzentrale, bei Ratenplänen kundenfreundlich vorzugehen. „Es gibt Versorger, die keine Ratenpläne anbieten oder erst ab einer sehr hohen Summe, während sie eine Energiesperre schon ab hundert Euro Rückstand verhängen“, kritisiert Kahlheber. „Das ist unverhältnismäßig.“ Auch lohne es sich über kürzere Abrechnungszeiträume nachzudenken. Die meisten Menschen können nicht abschätzen, welche finanziellen Belastungen mit der Jahresabrechnung auf sie zukommen.
Sozialbehörden sind angehalten, einkommensschwache Haushalte schneller zu unterstützen und Darlehen für Notfallhilfen leichter zu gewähren. Vermieter sollten nicht nur eigene Investitionskosten einsparen, sondern auch an ihre Mieter denken, wenn sie statt einer Anbindung an Zentralheizung oder Gastherme elektrische Warmwassergeräte einbauen.
Das Projekt wird auch weiterhin Politik, Behörden und Energieversorger über solche strukturellen Defizite informieren und Empfehlungen zu gesetzlichen Änderungen geben.
Hinweis für die Redaktionen: Der komplette Bericht kann unter http://www.vz-rlp.de/studie-energiearmut herunter geladen werden.
Für weitere Informationen:
Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V.,
Antje Kahlheber, Projektleiterin, Tel. 06131/28 48 43
Lore Herrmann-Karch, Pressereferentin, Tel. 06131/28 48 85,
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Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung
Ruth Boekle, Pressesprecherin, Tel. 06131/16-2549