Der Blick zurück lohnt: Als der „Grüne Punkt“ Furore machte, ging es um die Schonung unserer Ressourcen. Beim Recycling von Verpackungen gab es noch wirkliche Innovationen. Das damalige Duale System für Verpackungen versammelte die Produktverantwortlichen und engagierte sich. Es wurde eine weltweit führende neue Sortiertechnik entwickelt. Das war höchst innovativ. Heute dagegen herrscht ein gnadenloser Wettbewerb von inzwischen 10 dualen Systemen. Den Konkurrenten scheint es nur noch darum zu gehen, den eigenen Finanzierungsbeitrag möglichst niedrig zu halten, auch unter Ausnutzung von Graubereichen und Schlupflöchern. Dabei ist die zentrale Aufgabe zunehmend in den Hintergrund getreten: das optimale Recycling dessen, was in den Gelben Säcken steckt. Das ist umso bedauerlicher, weil Technik und ausreichende Recyclingkapazitäten doch zur Verfügung stehen.
Niemand versteht heute mehr, warum der eine Kleiderbügel als Bestandteil der Verpackung von Kleidung in den Gelben Sack darf, der andere aber nicht. Eine höhere Recyclingquote von rund 60 Prozent etwa bei Kunststoffen ist heute durchaus umsetzbar. Und die Stoffe in einem System zu erfassen, das bürgernah funktioniert, wäre äußerst hilfreich, zumal die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger das gut können. Sie sind am besten geeignet, flächendeckend ein praxistaugliches Erfassungssystem für alle Haushaltsabfälle, auch die Verpackungsabfälle, zu organisieren. Die Finanzierungsverantwortung für die Erfassung der Verpackungsabfälle muss jedoch bei den Produktverantwortlichen bleiben. Die brauchen dann aber auch klare Regelungen für eine zentrale Stelle zur Abrechnung.
Die aktuellen Entwürfe der Verpackungsverordnungsnovelle regeln und lösen das nicht. Lediglich Reparaturen zur Einschränkung von Grauzonen sind zu entdecken. Kernfragen bleiben offen: Wie können wir eine höhere Recyclingquote erreichen? Wie lässt sich die Abfalltrennung für den Verbraucher erleichtern? Wie sind die lähmenden Strukturdefizite aufzulösen? Wie können die Kommunen ihre Kompetenz bei der Entsorgung einbinden? – Wir brauchen ein Wertstoffgesetz, das nicht repariert, sondern neu gestaltet.
Die frühere schwarz-gelbe Koalition ist in Ankündigungsrhetorik erstarrt und hat nichts zustande gebracht. Dadurch ist viel wertvolle Zeit vergangen. Es ist dringend notwendig, dass die jetzige Umweltministerin ihre Ankündigung wahr macht und einen wirkungsvollen Vorschlag vorlegt. Auch die Länder sind gefordert, der Bundesregierung ihre Eckpunkte für ein solches Gesetz mit auf den Weg zu geben. Die Gefahr ist groß, dass ein längst überfälliger Neustart erneut durch die unterschiedlichen Lobbyinteressen in Berlin verwaschen und weiter gewurschtelt wird.
Mit dem Grünen Punkt stehen grundsätzliche Fragen wie Produktverantwortung und freiwillige Selbstvereinbarungen der Wirtschaft zur Disposition. Im Raum steht der Vorwurf, dass die Produktverantwortung inzwischen zu einem puren „Ablasshandel“ degeneriert sei. Dabei könnte die Wirtschaft weiterhin Innovationskraft entwickeln. Dafür ist jedoch ein hochwertiges Recycling der getrennt gesammelten Abfälle Voraussetzung. Die erreichen wir nur durch gesetzlich festgelegte, ambitionierte Recyclingquoten.
Noch besteht die Chance, eine gute Idee zu retten und weiterzuentwickeln. Der Gesetzgeber muss die Grundlage schaffen, damit die Wirtschaft sie wieder mit Leben erfüllen kann. Gelingt dies nicht, müssten Bund, Länder und Kommunen Entsorgung und Verwertung flächendeckend sicherstellen. Dann wäre die Wirtschaft nur noch Zuschauer und das Prinzip der Produktverantwortung am Ende. Das sollte nicht nur der Wirtschaft zu denken geben.
Stefanie Mittenzwei
Pressesprecherin
Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung
Tel. 06131/16-2550